Posts Tagged ‘Feiertage’

Neujahr ist nicht gleich Neujahr – und: warum wir Feuerwerke zünden

Zeitrechnung - kulturelle Unterschiede

Seit gut einer Woche schreiben wir nun das Jahr 2014. Auf der Welt wird jedoch mehr als einmal der Beginn eines neuen Jahres eingeläutet – und das nicht nur, weil die Erde rund und daher in Zeitzonen unterteilt ist. Sie ist von Menschen unterschiedlicher Kulturen und differenzierter Weltvorstellungen besiedelt – so ergeben sich auch verschiedene Geschichts- und Zeitrechnungsentwürfe; so beispielsweise im Judentum, Islam, in Indien und in China.

 

 

Der Gregorianische Kalender, der momentan 2014 zählt, besitzt globale Gültigkeit und erleichtert das internationale Kommunizieren. Trotz der Anerkennung existieren in den meisten Ländern daneben auch weitere Kalendersysteme, die kulturelle oder religiöse Anliegen thematisieren und die mit einer Feier ein neues Jahr begrüßen.

Warum überhaupt die Jahre gezählt werden, hat ganz pragmatische Gründe. Historiographie ist ohne Zeitangaben geradezu unmöglich. Eine Darstellung von Ereignissen, Entwicklungsprozessen sowie von Personen oder Nationen setzt ein Datierungssystem voraus, um sie einzuordnen und in Gänze zu erfassen. In welchem Kontext Begebenheiten auch in der Geschichtsschreibung jedoch gedeutet werden, bestimmt wiederum ein spezielles Zählsystem. Die messbaren Regelmäßigkeiten, an denen Zeit berechnet wird und die so eine Datierung ermöglichen, sind der Mond- und der Sonnenzyklus. Der nach Julius Caesar benannte julianische Kalender des alten Rom gab bereits präzise wider, wie lange es dauert, bis die Erde – wie wir heute wissen – die Sonne einmal umkreist hat. Sind alle Monate in diesem Sonnenjahr eingeschlossen, befinden sich die Jahreszeiten immer in den gleichen Monaten, was z.B. für die Gestaltung der Landwirtschaft eine große Hilfe darstellt.

In der jüdischen Tradition liegt der Schwerpunkt auf den Feiertagen, die sich am Vollmond orientieren. Ein neues Jahr beginnt an „Rosch Haschana“ („Haupt des Jahres“), Tag der Erschaffung des Menschen als Krönung der Schöpfung. Im 4. Jahrhundert wurde der jüdischen Kalender durch einen Schaltmonat zu einem Lunisolarkalender gemacht, sodass das neue Jahr stets im Herbst beginnt. Auch eine eigene Jahreszählung wurde von dem Rabbiner Hillel II eingeführt, der die die Schöpfung der Erde auf das Jahr 3761 v.Chr. berechnete. Ab dem 25.09.2014 werden die Juden daher das Jahr 5775 schreiben. In den Synagogen werden lange Gottesdienste gehalten, welche die persönliche Beziehung zu Gott thematisiert. Eine Tradition ist es, ein in Honig eingetauchtes Apfelstück als Symbol für ein süßes kommendes Jahr zu essen und man grüßt sich mit den Worten: „Mögest Du für ein gutes Jahr eingeschrieben sein“.

Die christliche Zeitrechnung wurde im 6. Jahrhundert von dem Mönch Dionysius in Rom eingeführt. Er übernahm die Zählung des Sonnenjahres nach dem julianischen Kalender, doch es war ihm ein besonderes Anliegen, dass „der Verlauf der Jahre nach der Menschwerdung Christi“ gezählt werden sollte. So berechnete er mit den ihm zur Verfügung stehenden Quellen den Tag der Geburt Jesu aus und begann damit das erste Jahr Anno Domini. Bis zum neunten Jahrhundert wurde diese Zählung endgültig übernommen. Lediglich die Genauigkeit der Schaltjahrregelung wurde durch den gregorianischen Kalender im 16. Jahrhundert korrigiert. Bis heute ist dieses Zählsystem die globale und gängige Chronologie.

Der Übergang in das neue Jahr wird weltweit mit einem Feuerwerk in den Großstädten begrüßt. In nur wenigen Ländern ist der private Erwerb der Feuerwerkskörper gestattet. Was heute eine bunte Attraktion ist, entspringt aus dem Aberglauben, mit viel Lärm könnten die bösen Geister des letzten Jahres vertrieben werden. Viele Traditionen sind von ähnlichem Aberglauben geprägt: Die Argentinier bereiten sich auf das neue Jahr vor, indem sie alten Ballast einfach aus dem Fenster werfen – nämlich alte zerkleinerte Papiere und Unterlagen. In Spanien isst man um Mitternacht zwölf Weintrauben; wer vor dem letzten Glockenschlag nicht alle aufgegessen hat, riskiert Unglück im neuen Jahr.

Die Zeitrechnung im Islam beginnt mit der „Hidschra“; der Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina. Das Lunarjahr ist mit 354 Tagen kürzer als das Sonnenjahr, weshalb der Neujahrstag in einer Spanne von ca. 32 Jahren durch die verschiedenen Monate des gregorianischen Kalenders wandert. Im Übrigen wird der islamische Kalender durch ein H (Hidschra) kegennzeichnet und so vom gregorianischen zu unterscheiden, der die Abkürzung M für die Geburt (=Milaad) Jesu trägt. Der Übergang in das neue Jahr – am 25.10.2014 beginnt das Jahr 1436 wird nicht groß zelebriert, es ist vielmehr ein Gedenktag an die Gründung der islamischen Staatswesen durch Mohammed. Im Kreis der Familie wird gebetet und ein Essen serviert, das aus diversen Elementen besteht, die Glück, Gesundheit; Wohlergehen und Fruchtbarkeit symbolisieren.

In China verwendet man ein komplexes Kalendersystem, das neben Mond- und Sonnenzyklus die Jahre auch nach bestimmten Zyklen eingeteilt, die auf chinesische Lehren beruhen. In der volkstümlichen Zählung werden die Jahre durch Tiernamen in Kombination mit den fünf chinesischen Elementen angegeben. Gemeinhin als chinesisches Horoskop bezeichnet, ist diese Jahreseinteilung immer auch inhaltlich aufgeladen. Wenn am 31.01.2014 das Jahr des Holz-Pferdes beginnt, stellt man sich auf großen Tatendrang ein – entschlossene Handlungen, statt lange Überlegung und doch darauf achten, sich nicht zu „verrennen“. Das neue Jahr beginnt immer zum zweiten Neumond vor dem Frühlingsanfang.

Das 15-tägige Neujahrsfest bzw. „Frühlingsfest“ ist für die Chinesen ein wichtiges, bunt zelebriertes Familienfest, für das sich gerade die im Ausland lebenden Chinesen oft ihren Urlaub nehmen. Am Neujahrsabend verlässt man nach einem Familienessen das Haus, um ab 23:00 ein großes und langes Feuerwerk sehen zu können. Anschließend werden die Fenster geöffnet, um das Glück des neuen Jahres hereinzulassen. Den Schluss der Festtage stellt das Laternenfest dar, bei dem gebastelte Laternen vor die Häuser gehängt werden und ein schönes Lichtspektakel ergeben. Laternen stehen symbolisch für Hoffnung auf bessere Zeiten sowie für Erfolg und Glück.

Im Hinduismus sind verschiedene weltanschauliche und philosophische Denkweisen zusammengefasst, weshalb es zu Differenzen sowohl in Ausübung als auch über den Zeitpunkt der Festlichkeiten kommt. Die Tamilen in Südindien feiern jedes Jahr Varudappirappu, welches den Jahresbeginn eines Lunarkalender markiert und jedes Jahr anhand der Sternenkonstellation berechnet wird. In der Regel findet es Ende März oder Anfang April statt. Es ist Tradition, das ganze Haus zu reinigen, damit kein Dreck des alten Jahres vorhanden ist, wenn das neue Jahr beginnt. 2014 fällt das Neujahrsfest auf den 14.04. und wird ähnlich der Silvesternacht lautstark gefeiert, um die alten Geister zu vertreiben und gleichzeitig sollen die Sorgen vergessen werden.

 

Fünf internationale Neujahrstage

 

 

Totengedenken und „Herbstkarneval“ – wie aus einem Brauch unterschiedliche kulturelle Feste entstehen können

In der Übergangszeit von Oktober zu November fallen gleich mehrere Feiertage verschiedener Kulturen aufeinander – und sie alle stehen irgendwie miteinander in Verbindung: Reformationstag und Halloween am 31.10 und Allerheiligen am 1.11.

In Deutschland und Österreich feiern protestantische Kirchen am 31.10 den Reformationstag. Das heißt nicht, dass die ungewollte Trennung einer Kirchengemeinschaft zelebriert wird, sondern dass an den Gerechtigkeitsgedanken Martin Luthers erinnert wird. 1517 nahm er geschickt den Vortag von Allerheiligen als Anlass für ein Schreiben, welches einen Apell darstellte, um den Handel mit Ablassbriefen zu unterbinden. Sie stellten eine Zusicherung dar, dass man Verstorbenen die Zeit im Fegefeuer verkürzen konnte. Allerheiligen begeht die katholische Kirche am 1.11 nämlich, um den Verstorbenen zu gedenken und früher war der Glaube verbreitet, dass an diesem Tag die Toten eine Auszeit vom Purgatorium erhalten und auf der Erde Rast und Erholung suchen. Man stellte Speisen auf das Grab und auch die Wohnungen waren für die Rückkehr vorbereitet. „Der armen Seelen willen“ gingen auch Kinder umher und sammelten Äpfel, Brot und Nüsse, gleichzeitig vergab man Nahrung an Bettler, die im Gegenzug die Verstorbenen in die Gebete einschlossen. Außerdem wurden vor den Häusern Kerzen, sogenannte „Seelenlichter“, gezündet, um den guten Seelen den Weg zu weisen, wo sie sich stärken und wärmen können und gleichzeitig um die Dämonen fernzuhalten, denn auch ihre Pforten wurden geöffnet – ein Grund weshalb man auch nachts die Straßen mied. Ein alter keltischer Glaube besagte außerdem, dass die zurückkehrenden Toten von den lebenden Menschen Besitz ergreifen wollten. Wenn man selbst wie eine Leiche aussah, würde man nicht erkannt und die Untoten würden weiterziehen. Heute werden von den Gläubigen am 1.11 nur noch die Gräber von Verstorbenen besucht und mit Blumen und Kerzen geschmückt sowie ein spezieller Gottesdienst gefeiert.

Viele dieser alten Bräuche und Vorstellungen erinnern an ein Fest, das ebenfalls an diesen Tagen gefeiert wird, das mit dem Glauben jedoch nicht mehr viel zu tun hat; ein Event, das seit dem 20 Jahrhundert existiert und in dem viele kulturelle Einflüsse zusammenfließen: Halloween, Tag des Verkleidens und des Gruselns. Was durch irische Auswanderer noch als Feier der Toten mit seinen Ritualen nach Amerika kam, entwickelte sich nach und nach zu einem volkstümlichen, erlebnisintensiven Event, das sich zwar im Prinzip noch um den Tod dreht, das aber nur noch sprachgeschichtlich an den Ursprung erinnert (All Hallows‘ Eve – Der Abend vor Allerheiligen, welches in den Staaten als solches unbekannt ist).

In den USA boomt diese Tradition, in der die Kinder sich zum 31.10 verkleiden und an den Haustüren der Nachbarschaft klingeln, wo sie mit Süßigkeiten belohnt werden, damit sie den Hausbesitzern keinen Streich spielen („Trick or treat“). Die Bewohner inszenieren passend ihre Häuser minimal mit Kürbissen, oftmals auch mit Grabsteinen, gruseligen Skeletten oder Vampiren im Garten, um die Vorbeigehenden in Angst und Schrecken zu versetzen. Die beleuchteten Kürbisse erinnern noch an die alte Tradition der Seelenlichter, haben gleichzeitig noch einen ganz eigenen Ursprung. Eine irische Legende besagt, dass einst Jack o’Lantern einen Pakt mit dem Teufel schloss und ihn gleichzeitig überlistete, sodass er nicht in die Hölle musste. Die Himmelstür jedoch war ihm auch verschlossen und so ist er zu einem rastlosen Untoten-Dasein zwischen Himmel und Hölle verdammt, einzig ein nie erlöschendes Feuer in einer Rübe begleitet ihn. Aus der Rübe wurde im Land der Superlative schnell ein Kürbis, der heute traditionell ein Gesicht geschnitzt bekommt, durch das ein Teelicht scheint. Die Generation der heute 15-25-Jährigen nutzt Halloween, um diverse Maskerade-Partys im ganzen Monat Oktober zu feiern. Die Kostüme sind dabei nicht immer gruselig, in der Regel gilt, was gefällt und auffällig ist, wird getragen, ähnlich wie beim deutschen Karneval. Seit den 1990er Jahren ist dieser Trend auch in Deutschland eingekehrt, die beliebten Partyveranstaltungen sind kaum noch weg zu denken und vielerorts beginnen auch die Kinder verkleidet „Süßes oder Saures“ an den Haustüren zu verlangen.

In Mexiko feiert man den „Día de los muertes“, ein farbenprächtiges Volksfest vom 31.10 – 2.11, welches durch zahlreiche Skelette sowie Schädel in den Straßen und Geschäften stark an das nordamerikanische Halloween erinnert. Es hat seine Wurzeln jedoch im indigenen Glauben die Verstorbenen kehrten zu dieser Jahreszeit zu den Familien zurück. In Verbindung mit der katholischen Vorstellung von Allerheiligen und Allerseelen ist es ein ernstes, den Verstorbenen gewidmetes Glaubensfest (übersetzt lautet „Día de los muertes“: Tag der Toten). Dieses fröhliche Wiedersehen wird ab Mitte Oktober vorbereitet und findet Ausdruck im Schmücken durch Blumen, Kerzen und Todessymbolen der Friedhöfe, Straßen und Wohnungen. An den Feiertagen bringt man an die Gräber der Verstorbenen auch deren Lieblingsessen und überall werden Totenköpfe in Form von Schokolade, Marshmallows u.ä. verteilt.

Eine Überzeugung, eine Tradition, ein Fest, das an einem Ort seinen Ursprung findet, wird nie bedingungslos in einer fremden Kultur akzeptiert bzw. übernommen. Die eigenen Werte und Lebensentwürfe einer Gemeinschaft können nicht überschrieben werden, Umdeutungen und Abänderungen sind Bestandteil eines solchen Integrationsprozesses. Das Neue wird mit dem Hintergrund der eigenen Kultur wahrgenommen und vermischt sich somit zu etwas ganz Eigenem und Wertvollem.