Interkulturelles Konfliktmanagement

Interkulturelle Konflikte – Unternehmensalltag und Lösungsansätze

Interkulturelle Konflikte – eine Ursachenforschung
Der Umgang mit Konflikten gehört zum Unternehmensalltag. Unternehmen befassen sich täglich mit einer Vielzahl und Vielfalt von Konflikten. Differenzen mit Kunden, Zulieferern, Wettbewerbern und  Behörden stellen den zumindest offenkundig wichtigsten Bereich dar. Neben diesen externen Konflikten gibt es auch eine Vielzahl innerbetrieblicher Streitigkeiten, wie z.B. Differenzen zwischen einzelnen Mitarbeitern, innerhalb von Teams, zwischen Abteilungen und Bereichen oder auch zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat. Dies ist unabhängig davon der Fall, wie international ein Unternehmen aufgestellt ist.
Durch die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen nehmen interkulturelle   Konflikte deutlich zu. Dies ist dadurch bedingt, dass Missverständnisse und Reibungsverluste vorprogrammiert sind, wenn kulturbedingte Interpretationsprobleme auftreten, Sprachdefizite den Austausch erschweren oder durch unterschiedliche Kontextdeutungen das Gesagte nicht verstanden wird. Schwierigkeiten bereiten häufig aber auch unterschiedliche Wertvorstellungen, Verhaltensweisen, Erwartungen und Einstellungen, die in erster Linie durch  kulturelle Faktoren, wie die Unternehmenskultur, der berufliche oder wirtschaftliche Status, das Alter, Geschlecht, die Religion oder die jeweilige Unternehmenskultur geprägt sind. Das Verständnis darüber, was ein Konflikt ist, wann er vorliegt und wie in diesem Fall ein adäquates Verhalten aussieht, kann kulturell bedingt verschieden sein. Durch diese kulturellen Einflussfaktoren erhalten Konflikte in und zwischen Unternehmen eine zusätzliche Dimension, die bislang nicht, beziehungsweise nicht hinreichend berücksichtigt wird. Insbesondere die Kosten, die für Unternehmen im Zusammenhang mit internen Konflikten zwischen Mitarbeitern aus verschiedenen Kulturen entstehen, werden häufig unterschätzt. Dies hängt auch damit zusammen, dass interkulturelle Konflikte oft nicht als solche erkannt werden. Bei scheiternden Gesprächen, Verhandlungen oder Projekten, werden die Ursachen in aller Regel in der Persönlichkeit des Gesprächs-, Geschäftspartners oder Kollegen gesucht.

Konflikte in internationalen Großprojekten – ein Fallbeispiel
Beispielsweise kommt es in vielen internationalen Projekten zu einem exponentiellen Anstieg von Problemen im Management und in der Zusammenarbeit von Projektteams. Dies führt dazu, dass internationale Projekte überdurchschnittlich oft verzögert werden oder gar scheitern. Mit teuren Folgen für die beteiligten Unternehmen. Ursachen sind hier häufig kulturell bedingte Unterschiede, wie das Beispiel von Airbus zeigt.
Für die Manager im Airbus-Werk in Toulouse ist der Fall klar: Weil die Airbus-Belegschaft in Hamburg es nicht schafft, die Verkabelung im Inneren des neuen Fliegers A380 schnell genug einzubauen, kann das Unternehmen viele Aufträge nicht rechtzeitig erfüllen. Wer dagegen mit Airbus-Managern und Mitarbeitern im Werk Finkenwerder spricht, hört in der Regel, dass die Franzosen schuld sind. Sie hätten beim Zuliefern geschlampt. Die Franzosen würden immer wieder Kabel in der falschen Länge nach Hamburg schicken. Ursache des Konflikts sind hier nicht die Kabel, sondern die kulturell bedingt unterschiedlichen Herangehensweisen, Erwartungen und Einstellungen in der Zusammenarbeit. Beispielhaft sind hier aber auch die Fusion von Volvo und Renault oder das Entwicklungsprojekt für einen Geländewagen durch Mercedes und Mitsubishi. Beide Projekte sind kläglich gescheitert. Statt der erhofften Synergien sind finanzielle Verluste von mehreren 100  Mio. EUR und ein erheblicher Imageverlust eingetreten.
Kein Einzelfall, wie eine Studie der KMPG zu Konfliktkosten in Unternehmen zeigt. Danach gab jedes zweite, im Rahmen der Studie befragte Unternehmen für verschleppte oder gescheiterte Projekte ungeplant pro Jahr mindestens 50.000  EUR aus, jedes zehnte sogar über 500.000 EUR.

Instrumente der Konfliktbearbeitung – Möglichkeiten und Grenzen
Mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher kultureller Erfahrungshintergründe in der Zusammenarbeit in und zwischen Unternehmen stellt sich damit verstärkt die Frage, wie Konflikte zwischen unterschiedlichen Kulturgruppen erfolgreich vermieden oder gelöst werden können. In allen Bereichen stehen gleichsam klassische Instrumente der Konfliktbearbeitung zur Verfügung – vom Gerichtsprozess, der naturgemäß eher bei externen Konflikten genutzt wird, bis hin zur rein hierarchischen Lösung im unternehmensinternen Kontext.
Insbesondere in externen Konflikten ist die erste Stufe der Bewältigung von Differenzen häufig die direkte Verhandlung. Führt die Verhandlung zu keinem Ergebnis, ist meist der Gang zum Gericht der logische Weg. Dies hat jedoch vor allem in internationalen Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder Joint Ventures erhebliche  Nachteile. Unterschiedliche Rechtssysteme, sprachliche Hürden und Gepflogenheiten erschweren die Konfliktlösung vor ausländischen Gerichten.
In den vergangenen Jahren ist daher auch in Deutschland das Interesse für die außergerichtliche Beilegung von Konflikten stark gestiegen. Insbesondere die Mediation wird als sinnvolle Ergänzung der bestehenden Konfliktlösungsmöglichkeiten gesehen und geschätzt. Dies bestätigt auch die Studie „Commercial Dispute Resolution – Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich“, die 2005 von PriceWaterhouseCoopers gemeinsam mit der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder durchgeführt wurde. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass im internationalen Kontext Schiedsgerichtsverfahren und Mediation gegenüber Verhandlung, Gerichtsverfahren und Schiedsgutachten deutlich mehr Vorteile für die Konfliktbearbeitung bringen.

Konfliktlösungsansätze – ein Ausblick
Doch obwohl die Relevanz kultureller Unterschiede für die internationale Unternehmensführung nicht zuletzt durch kulturvergleichende Untersuchungen wie der IBM-Studie von Hofstede und die GLOBE-Studie im Bereich des Internationalen Managements heute unbestritten ist, werden kulturelle Einflussfaktoren bei der Lösung von Konflikten und der Implementierung von Konfliktmanagementsystemen in Unternehmen bislang nicht beispielsweise nur unzureichend berücksichtigt.
Zur Entwicklung konkreter kultursensitiver Konfliktlösungsstrategien ist ein tiefergehendes Verständnis nicht nur der anderen Kultur, sondern auch der spezifischen, wechselseitigen Abhängigkeit zwischen den Kommunikationspartnern aus verschiedenen Kulturen notwendig.
Kultursensitive Konfliktlösungsstrategien sollten insbesondere folgende Aspekte berücksichtigen:

  • unterschiedliche Konfliktstile
  • unterschiedliche Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster
  • unterschiedliche Kommunikationsstrategien
  • unterschiedliche Gewohnheiten der Informationsstrukturierung
  • unterschiedliche Arten des Konfliktmanagements
  • unterschiedliche Erwartungshaltungen
  • unterschiedliches Verständnis von Sprache und Sprachgebrauch

Die  Aufgabe  des  interkulturellen  Konfliktmanagements ist es somit vor allem auch, zwischen unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmungen, Konzepten und Managementansätzen zu vermitteln und Wege aufzuzeigen, um das Konfliktpotential in einer für beide Seiten annehmbaren Weise zu entschärfen oder aufzulösen.
Die  Einführung eines interkulturellen Konfliktmanagements beziehungsweise die Berücksichtigung kultureller Einflussfaktoren in einem bestehenden Konfliktmanagementsystem minimiert langfristig und nachhaltig die Folgekosten von Konflikten.