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Kommunizieren wir nur indem wir sprechen? Oder ist da mehr dran?

Kommunizieren wir nur indem wir sprechen? Oder ist da mehr dran?

Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an kulturelle Aspekte denken? Kunst und Musik? Sitten und Bräuche? Oder etwas anderes? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welch eine aussagekräftige Rolle die Kommunikation, insbesondere ihr nonverbaler Teil, spielt?

Die nonverbale Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation, denn fast 55% unserer Signale, die wir beim Kommunizieren senden, werden unbewusst gesendet. Nonverbale Kommunikation wird durch kulturelle Muster beeinflusst, verrät Wichtiges über unseren kulturellen Hintergrund und kann oft auch Auslöser für interkulturelle Missverständnisse werden. Die nonverbale Kommunikation ist, was wir unbewusst von uns preisgeben und was wir oft nicht kontrollieren können – vor allem dann, wenn wir emotional sind, wie zum Beispiel wütend, sehr glücklich, panisch, aufgeregt oder nervös. Dazu gehört nach Jürgen (2007) zum Beispiel die Körpersprache, die u.a. aus Gestik, Mimik, Augenkontakt, Körperhaltung, Berührung, Körperkontakt, körperlichen Abstand, Gerüche und dem Tonfall besteht. Zur nonverbalen Kommunikation gehört auch: Kleidung, Zeichen, Symbole, Farben und Schmuck. Ihre besondere Bedeutung erhält die nonverbale Kommunikation nicht zuletzt dadurch, dass Menschen aufgrund der möglichen reduzierten sprachlichen Kommunikationsmöglichkeiten im interkulturellen Kontext dazu tendieren, vermehrt zu gestischen und mimischen Verständigungselementen zu greifen. Und hier hält man die eigenen nonverbalen Muster oftmals fälschlicherweise für universell. Deswegen ist es so wichtig, sich darin zu üben.

Wir geben Ihnen nachfolgend ein paar Beispiele, um aufzuzeigen, welche interessanten Tatsachen wir meistens unbewusst offenbaren, wenn wir uns unser nonverbales Kommunizieren anschauen.

Körperkontakt

In Europa ist es ein gewöhnliches Bild, wenn ein Mann und eine Frau in der Öffentlichkeit Händchen halten. In islamischen Ländern wiederum gilt öffentliches Händchenhalten von Personen unterschiedlichen Geschlechts als unangebracht. Sieht man zwei Männer in Europa Händchen haltend in der Öffentlichkeit, denken viele, sie seien homosexuell. In orientalischen Kulturen, zum Beispiel in Saudi Arabien oder in den Arabischen Emiraten ist dies wiederum etwas Alltägliches und gar wichtig:

 

 

 

… aber gewöhnungsbedürftig für Angehörige westlicher Kulturen, da sie es so nicht kennen. Die steife Körperhaltung des ehemaligen US-Präsidenten Bush beim Händchenhalten mit dem saudi-arabischen Prince Abdullah ging um die Welt.

 

 

 

 

 

 

 

Und an diesem Zeitungsausschnitt aus der New York Post kann man erkennen, dass diese Situation missinterpretiert wurde bzw. absichtlich oder unabsichtlich neben einem neben einem Artikel mit der Überschrift “House bans gay unions“ (Zu Deutsch: Parlament verbietet Homosexualität) platziert wurde.

Gestik, Zeichen und Symbole

Auch Gesten, Zeichen und Symbole können über die Länder und Kulturen unterschiedlich gedeutet werden. So, zum Beispiel das ganz alltägliche Kopfschütteln, von dem man denken könnte, es würde überall als „Nein!“ verstanden werden. In Indien und Bulgarien bedeutet es das genaue Gegenteil. Oder wenn die Menschen in Indien auf den Boden schauen, dann ist das dort ein Zeichen des Respekts. Im Nahen Osten wird nur das nach unten Nicken als Zustimmung gedeutet, während Nicken nach oben eine Ablehnung ist. In Asien wiederum wackelt man mit dem Kopf nach rechts und links als Zeichen einer Zustimmung.

Haben Sie die T-Online Werbung auch gesehen? Wissen Sie, dass diese Handgeste im interkulturellen Vergleich unterschiedliche, mitunter sogar  gegensätzliche,  Bedeutungen aufweisen und somit zu gravierenden nonverbalen Missverständnissen führen kann? Wenn in Deutschland etwas „okay“ ist, dann benutzen wir oft dieses Zeichen. Die Amerikaner und Australier machen es uns gleich. Bei den Franzosen und Japanern allerdings benutzt man diese Geste, um zu signalisieren, dass etwas wertlos ist. Als sexuell unangebrachte Geste versteht man dieses Zeichen in Lateinamerika, Russland und Osteuropa. Somit könnte die aus Deutschland kommende Werbung zu großen Missverständnissen führen, wenn sie in bestimmten anderen Ländern zur Marketingzwecken benutzt wäre, oder wenn Menschen aus diesen Ländern diese Werbung in Deutschland zu sehen bekommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sogar Farben können je nach Kulturraum eine erheblich arbiträre kulturspezifische Bedeutung haben. Die grüne Farbe zum Beispiel, Amerikas Lieblingsfarbe für Frische und Gesundheit, wird in Ländern mit einem dichten grünen Dschungel oft mit Krankheit in Verbindung gebracht. Ein anderes Beispiel ist die Farbe Schwarz. Nicht überall auf der Welt signalisiert diese Farbe Trauer: In asiatischen Ländern (zum Beispiel in China) ist dies Weiß, in Brasilien Violett, in Mexiko Gelb und in der Elfenbeinküste Dunkelrot. Für Amerikaner ist Blau die männlichste Farbe, in Frankreich und England wird Männlichkeit jedoch mit der Farbe Rot assoziiert. Und während Rosa die weiblichste Farbe in den USA ist, gilt Gelb in den meisten anderen Ländern als feminin.

All diese realen Tatsachen zeigen, dass wir uns mit der nonverbalen Kommunikation mindestens genauso ernst auseinandersetzen sollen, wie mit dem gesprochen Wort. Achten Sie in Zukunft also auch auf die „verborgenen“ Zeichen, wenn Sie auf einen Menschen aus einer anderen Kultur treffen und versuchen Sie, seine nonverbale Nachricht richtig zu deuten! Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie ruhig ehrlich nach, als dass Sie in ein kulturelles Fettnäpfchen treten!

Autor: Anna Gorodina