Archive for March 2014

Wirtschaftlicher Erfolg mit Diversity Management

Erfolgreich und zukunftsfähig sein heißt in der modernen Welt, auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet zu sein. Es heißt, auf die rasanten Änderungen, die diese neue Ära mit sich bringt zu reagieren und ihre Möglichkeiten sinnvoll und ausgiebig zu nutzen. Mit der weltweiten Vernetzung hat es auch im Arbeitsleben massive Änderungen gegeben. Alles ist beweglich, es gibt seltener starre Karrierelinien und ein erfolgreiches Rekruiting kann nicht länger eine lokale Suche bleiben, wo es doch internationale Talente gibt. Aber auch vorhandene Beschäftigte entwickeln neue Ansprüche. Gleichzeitig wie die Mitarbeiter, mit ihren Wünschen und Lebensentwürfen, ändern sich natürlich auch die Kunden mit ihren Ansprüchen und Erwartungen. Der Absatzmarkt, die Kundenzielgruppen wollen individuell bedient werden. Eine globalisierte Welt zieht eine Internationalisierung in der Organisationsstruktur der Unternehmen und der Industrie nach sich.

Entscheidende Faktoren für eine stabile Positionierung im Absatzmarkt sind zum einen externer Natur: das Konsumverhalten ändert sich durch die sich wandelnde Kundschaft, die Konkurrenz ist größer und nur, wer auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden eingehen kann, erhält zufriedenstellende Absatzzahlen. Zum anderen muss auch die Produktivität intern angekurbelt werden. Die Mitarbeiter haben ein Bedürfnis, sich mit dem Arbeitgeber zu identifizieren, die Unternehmensphilosophie, Werte und Einstellungen müssen modernes Gedankengut widerspiegeln. Zugleich ist das Beziehungsgeflecht der Belegschaft zentraler Gegenstand einer produktiven Arbeitsgruppe und jeder will eine individuelle Lebensgestaltung ermöglicht wissen.

Der demographische Wandel trägt dazu bei, dass diese Arbeitsgruppe immer seltener homogen ist. Bis 2020 schätzt man, werden aufgrund sinkender Bevölkerungszahlen 40% der Mitarbeiter über 50 sein und bis zu vier Generationen arbeiten gleichzeitig in einem Unternehmen. Außerdem werden die mangelnden Nachwuchskräfte verstärkt international rekrutiert, wodurch sich eine multikulturelle Arbeitsgemeinschaft bildet. Genauer gesagt: es gibt vielfältige Mitarbeiter. Mit dem Begriff Diversity werden diese Aspekte zusammengefasst. Darunter versteht man folgende Dimensionen:

Alter ist wie besagt ein wesentlicher Teil: jede Generation hat eigenes Werte; eine eigene Vorstellung von Lebensgestaltung, Arbeitsleben und selbst Kommunikation. Work-Live-Balance und die Vereinbarkeit von Familie und Arbeitsleben werden neu definiert und müssen zufriedenstellend mit dem Beruf vereinbar sein.
Mit dieser Bewegung verbunden ist der Genderaspekt. Durch gesellschaftliche Veränderungen ist es ein besonderes Anliegen, die Frauen gleichberechtigt in den Arbeitsmarkt zu integrieren und gleichermaßen Karriere unter gleicher Bezahlung zu ermöglichen.
Im Bereich Privatleben und Familie gilt es auch, nicht nach der sexuellen Orientierung zu fragen bzw. zu urteilen.
Auch Personen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen stellen einen Aspekt von Diversity dar. Als qualifizierte Fachkräfte sind sie eine große Bereicherung für ein Unternehmen, die sich nicht scheuen sollten, Barrierefreiheit zu gewährleisten.
Vielfältige Erfahrungen und Weltanschauungen bringen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturzugehörigkeit mit. Sie haben andere Erwartungen an den Arbeitgeber, bringen aber auch zahlreiche Kompetenzen mit sich.
Religionszugehörigkeit
ist eine Dimension der Vielfalt, die unterschiedliches Verständnis von Menschsein und Arbeit und letztlich auch unterschiedliche Umgangsformen mit sich bringt.

Diversity ist mehr als ein Begriff oder eine Kategorisierung von Personengruppen. Konkret geht es um die Erkenntnis von Diversity, und so die Nutzung eines entscheidenden Erfolgsfaktors für Unternehmen jeder Branche. Ein Team, das respektvoll mit diesen Dimensionen umgeht und die unterschiedlichen Potentiale durch Hintergründe, Erfahrungen und Sichtweisen jedes Einzelnen diversen Teammitgliedes nutzt, bringt mehr innovative und erfolgreiche Entwicklungen zu Tage. Es besteht eine nachweisbare Korrelation zwischen Mitarbeitervielfalt und Geschäftserfolg. Die Vorteile beginnen bei gesteigerter Mitarbeiterzufriedenheit und sinkender Fluktuation und führen letztlich zu einem positiven Image wie auch der Eroberung internationaler Märkte und nachhaltiger Konkurrenzfähigkeit.

Um eine Umsatzsteigerung durch vielfältige Arbeitsgruppen zu realisieren, sieht man sich konkreten Herausforderungen gegenüber, die mit grundlegenden Veränderungen und Weiterentwicklungen der Arbeitsstruktur verbunden sind. Diversity birgt dabei aber ein solch hohes Potential, das diesen Aufwand mehr als rechtfertigt. Wer sich heutzutage dauerhaft positionieren will, die Märkte effektiv erreichen will und eine produktive Belegschaft hinter sich stehen haben möchte, der kann auf die Implementierung von Diversity Management keinesfalls verzichten.

Diversity Management ist ein Management  Ansatz,  der  darauf  zielt,  die  personelle  Vielfalt  der Belegschaft  zu  erkennen, zu fördern und wertzuschätzen sowie  gewinnbringend  zu  nutzen,  um dadurch eine Steigerung der wirtschaftlichen  Erfolge  und  die  Verwirklichung der Unternehmensziele zu erreichen. Der Bereich Diversity Management sollte in seiner Wichtigkeit vor allem auch eigenständige Beachtung finden und nicht nur als Nebensächlichkeit von Zeit zu Zeit gehandhabt werden. Ein Diversity Manager kann konkret den Bedarf analysieren, Ziele setzen und die Maßnahmen ergreifen, die zu einem vielfältigen und erfolgreichem Team führen.

Im Folgenden werden ausgewählte Maßnahmen beschrieben, wie sich Diversity innerhalb eines Unternehmens gestalten und effektiv nutzen lassen kann.

Das Know-How der unterschiedlichen Generation kann durch generationenübergreifende Zusammenarbeit an junge Mitarbeiter weiter gegeben werden.
Stellenanzeigen werden attraktiv durch fotographische Darstellung multikultureller Teams und einer neutralen Ansprache.
Ein anonymes Bewerbungsverfahren umgeht ein Misstrauen in die Personalentscheidung aufgrund von Geschlecht, Aussehen oder ethnischer Zugehörigkeit.
Um Mitarbeiter zu rekrutieren und zu binden, die ihren Beruf mit der Familie vereinbaren wollen, bietet es sich an, flexible Arbeitszeiten zu gewähren oder einen Betriebskindergarten einzuführen.
Ein barrierefreier Arbeitsplatz schafft Möglichkeiten für Fachkräfte verschiedenster körperlicher Einschränkungen.
Ebenso entscheidend ist ein Programm, das Sicherheiten und Zuverlässigkeit durch den Arbeitgeber ermöglicht.
Eine Weiterbildung im interkulturellen Bereich gewährleistet ein umfangreiches Wissen der Mitarbeiter um fremde Kulturen und Wertvorstellungen. Einerseits wirken sich interkulturelle Kompetenzen in den konkreten Arbeitsgebieten der Mitarbeiter aus, können sie so schließlich internationale Märkte erfolgreicher erobern. Andererseits gewährt man einen harmonischen Umgang der vielfältigen Teammitglieder untereinander und schafft Zufriedenheit der Belegschaft, ein positives Verhältnis zum Arbeitgeber und letztlich eine gesteigerte Motivation und Produktivität.

Ausschlaggebend ist es, nicht exklusiv zu handeln, also nur eine Mitarbeitergruppe gezielt zu bevorzugen. Der Erfolg ist erst dann maximiert, wenn alle Stärken, Bedürfnisse und Möglichkeiten ausgeschöpft werden; wenn die volle Vielfalt inklusiv integriert wird.

 

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Interkulturelle Assessment Center

Die Würfel fliegen über den Tisch. Der Symbol-Würfel zeigt eine Hand, der Zahlenwürfel eine Sechs, jetzt geht es ums Ganze: Sechs Jetons gewinnt der schnellste Teilnehmer am Tisch dazu, der Langsamste muss sie aus seinem Becher abgeben. Drei Teilnehmerinnen schlagen mit der Hand auf den Tisch, der Vierte schaut verdutzt: Blitzschnell hatte er seine Hand auf seinen rechten Oberarm gelegt… Wer hat nun die richtige Bewegung ausgeführt? Die schnellste Teilnehmerin streicht fröhlich die Jetons ein und der Teilnehmer versteht die Welt nicht mehr: Eben noch am anderen Tisch war er immer der Schnellste gewesen, doch die Regeln für das Hand-Symbol waren andere.

Andere Tische, andere Sitten. Oder besser gesagt: andere Normen. Die interaktive Simulation macht den Teilnehmern deutlich, wie es sich anfühlt, plötzlich mit kulturbedingt anderen Regeln umzugehen. Sie fühlen es regelrecht. Aus Gewinnern werden so schnell Verlierer und andersherum. Eine essentielle Erfahrung: Neue Strategien müssen her! Ein Neuling am Tisch, eben noch glücklicher Gewinner der vorherigen Simulationsrunde gewesen, verhandelt mit seinen InteraktionspartnerInnen neue ‘Spielregeln’: Er interagiert, offensichtlich effektiv und angemessen, denn der gesamte Tisch vereinbart ein neues Regelkompendium. Die Simulationsübung führt die Teilnehmer des interkulturellen Assessment Centers in einem europäischen Energiekonzern mitten hinein in eine Situation, die ihre interkulturelle Kompetenz testet. Die Interaktionspartner aufmerksam und bewusst wahrzunehmen, aus einer wertschätzenden Haltung heraus zu beobachten, zu kommunizieren ohne zu bewerten, sich auf andere einzustellen und gleichzeitig die eigenen Ziele bzw. Zielvorgaben im Auge zu behalten, sind essentielle Lerndimensionen, anhand derer die interkulturelle Kompetenz der Teilnehmer beurteilt wird.

 

Bei der Besetzung wichtiger, verantwortungsvoller Stellen im Unternehmen durchlaufen die Kandidaten in der Regel während des Auswahlverfahrens ein Assessment Center (AC). Ziel des klassischen AC ist das Testen und Beurteilen der sozialen Kompetenzen mit Hilfe von Elementen wie einem strukturierten Interview, Rollenspielen, Fallstudien, Gruppendiskussionen, psychometrischen Testverfahren und Präsentationsübungen. Dabei werden Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Führungsqualitäten unter die Lupe genommen. Unternehmen, die global operieren, eine kulturell heterogene Belegschaft besitzen oder im heimischen Markt kulturell unterschiedlich geprägten Kunden adäquate Produkte und Leistungen anbieten möchten, schauen in ihrem AC auf mehr. In Interkulturellen AC testen sie die Einstellungen, Handlungs- und Reflexionsfähigkeiten der Bewerber.

 

Gleiches Setting, wieder befinden wir uns mitten in einem interkulturellen AC, diesmal in einer Gruppendiskussion mit Konfliktpotential… Gelingt es den Führungskräften, allesamt erfahrende Projektleiter, zu erkennen, wann ihr Gegenüber tatsächlich „echte“ Zustimmung ausdrückt? „Ich habe den Eindruck, meine Gesprächspartner sagen ‚Ja’, auch wenn sie ‚Nein’ meinen, als ob es in deren Kultur nur ‚Jas’ gäbe, dafür aber zwanzig verschiedene Sorten“, stellt ein Teilnehmer fest. „Und man kommt ganz schön ins Schwitzen, wenn man die ganze Diskussion auf Englisch oder Spanisch führt“, bemerkt eine andere Teilnehmerin. Die Teilnehmer hatten vorher die Wahl, in welcher Fremdsprache sie diese Übung durchführen wollen, entsprechend intensiv fühlen ihnen die Berater dann als Rollenspieler im AC in puncto interkulturelle Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenz auf den Zahn. Später im Business Case werden die Teilnehmer einen typischen Fall zur Bearbeitung bekommen, wie er interkulturellen Beratern in der Praxis oft begegnet: Firma Mustermann produziert das Produkt 1A, das in der Kultur A seit Jahren erfolgreich ist. Allmählich sind die Kunden jedoch heterogener geworden, sie bringen kulturelle Prägungen aus Ländern wie der Türkei, Italien, Polen, Griechenland und Kroatien mit – die Kunden haben andere Erwartungen an ein 1A-Produkt als frühere Kunden und Firma Mustermann muss handeln. Aber wie? Schnell ist klar: Interkulturelle Kompetenz ist eine strategische Denk- und Handlungsfähigkeit, die jede kompetente Führungskraft im 21. Jahrhundert braucht, egal ob sie geschäftlich viel im Ausland unterwegs ist, ein bunt gemischtes Team in-house führt oder ganz einfach: Verantwortung in einem durchschnittlichen mittelständischen Betrieb trägt und als Ziel hat, den Betrieb zukunftsfähig zu halten. Denn längst besitzt Deutschland eine Bevölkerung mit vielen ethnischen und kulturellen Prägungen: Jeder Fünfte in Deutschland hat eine mehrkulturelle Prägung bzw. verfügt über Migrationshintergrund. Bewusst und dank interkultureller Kompetenz klug genutzt, bedeutet dies eine einzigartige Ressource für Unternehmen, sowohl im Hinblick auf Humanressourcen als auch auf Kunden-Zielgruppen innerhalb Deutschlands und sowieso mit Fokus auf Internationalisierung.

 

Umfassendes kulturelles Wissen bleibt ein lebenslanger Lernprozess und kann nicht abschließend erlernt werden. Daher sind im interkulturellen AC weniger wissensbezogene (kognitive) Lerndimensionen relevant. Vielmehr liegt der Fokus auf der Überprüfung von prozessorientierten Fähigkeiten, die das Erlernen und Verarbeiten von Wissen über die eigene und andere Kulturen ermöglichen. In Simulationen, Rollenspielen und Teamübungen beobachten und bewerten die Assessoren im Interkulturellen AC Kompetenzen wie Frustrations- und Ambiguitätstoleranz, Fähigkeiten zur Konfliktlösung, Umgang mit Stress, Beherrschung verschiedener Denk- und Kommunikationsstile und Empathie.

 

Obwohl interkulturelle Kompetenz als eine Schlüsselkompetenz für das Arbeitsleben in international vernetzten Unternehmen und Organisationen bezeichnet wird, fehlt es bisher an systematischen Analysen von Arbeitsplätzen unter der Fragestellung, welche spezifischen Aspekte interkultureller Kompetenz zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen tatsächlich benötigt werden. Forderungen nach interkultureller Kompetenz stützen sich in der Regel eher auf Plausibilitätserwägungen als auf Theoriebildungen und empirische Untersuchungen.

 

Zur Qualitätssicherung im Personalauswahlverfahren ist hier die fachliche Unterstützung durch interkulturelle Experten gefragt. Sie besitzen die entsprechenden Fähigkeiten und Erfahrungen, ein interkulturelles Kompetenzmodell unter Gewichtung der einzelnen Dimensionen zu erstellen – im Hinblick auf die HR-Strategie des Unternehmens einerseits und auf die konkret zu besetzenden Positionen andererseits. Die Einsatzmöglichkeiten des interkulturellen Assessment Centers sind vielseitig, es kann klassisch bei der Positionsbesetzung angewandt werden oder auch Karriere begleitend in Form eines Development Centers eingesetzt werden. Führende Automobilhersteller, aber auch Konsumgüterhersteller, Pharmaunternehmen und Banken beweisen Weitblick und setzen schon jetzt bei Management Audits für ihre Führungskräfte auf interkulturelle HR-Auswahlverfahren.

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Das Interview ist in “Plattform. Das Magazin für interkulturelle Wirtschaft” erschienen.

 

Carina Turbon ist Unternehmensberaterin, zertifizierter interkultureller Business Coach und interkulturelle Trainerin mit langjähriger Erfahrung in großen Beratungsunternehmen. Ihre Arbeit führte sie bislang in über 30 Länder. Sie lebt abwechselnd in Deutschland und Österreich und ist Mentorin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen neben der interkulturellen Vorbereitung für Auslandseinsätze in Zentralasien, BRIC-Märkten, den USA, Ungarn und der Türkei on-the-job Begleitungen im Rahmen von Coachings und Interkultureller Personalentwicklung vor Ort.


Buntes Treiben vor der Fastenzeit: Karneval international

Heute feiert man in Teilen Deutschlands den „Rosenmontag“, als den Höhepunkt der Karnevalszeit. Die berühmtesten internationalen Feierlichkeiten dieser Art sind der „Karneval in Rio“ und der „Karneval in Venedig“. Aber auch die USA, Polen und Russland haben für diese Zeit Traditionen.

Karneval wird zeitlich an das christliche Osterfest gekoppelt gefeiert. Mit dem Aschermittwoch beginnt  die Zeit des christlichen Fastens, die Zeit davor ist die „Fastnacht“, regional auch „Fasching“ (=Eintritt). Die Bezeichnung „Karneval“ ist ein international bekannter Begriff. Eine Theorie besagt, dass sich das Wort von „carne vale“, also „Fleisch lebe wohl“, abgeleitet wurde. In Vorbereitung auf das höchste Fest im Kirchenjahr – dem Osterfest, an dem die Auferstehung des Jesus Christus zelebriert wird –  verzichtet man 40 Tagen lang auf Fleisch und Milchprodukte. Für viele Christen ist dies auch heute noch Pflicht. Aus diesem Grund gibt es in einigen Ländern diverse Traditionen, wie man die letzten Tage vor dem Fasten noch ausgelassen genießen kann.

In Deutschland ist der Karneval eine alte, aus vorchristlicher Zeit stammende Tradition. Es ist die Zeit der „Narren“ und „Jecken“, das heißt die Menschen stellen das Leben auf den Straßen auf den Kopf, feiern ausgelassen und gesellschaftliche Konformitäten werden vernachlässigt. Der Straßenkarneval wird heutzutage mit der Weiberfastnacht am Donnerstag vor Aschermittwoch eingeläutet. Eine alte Tradition gibt vor, dass die Frauen den Männern ihre Krawatten abschneiden, als Symbol, dass sie nun die Herrschaft übernehmen. Karnevalsumzüge – von örtlichen Karnevalsvereinen organisiert – und Kostümpartys finden an dem folgenden Wochenende in vielen Orten statt. Besonders beliebt bei Touristen sind die sogenannten Karnevalshochburgen wie Köln oder Mainz, die am Rosenmontag, dem Höhepunkt der Karnevalszeit in einem Ausnahmezustand sind. Die Straßen werden für den Rosenmontagszug und deren unzähligen bunt kostümierten, ausgelassen feiernden Zuschauern gesperrt; gleichzeitig veranstalten die Karnevalsvereine Showprogramme, in der Regel unter Begutachtung des „Karnevalsprinzen“ oder „Prinzenpaares“. Die einzelnen Umzugswagen präsentieren ein Thema oder haben ein Motto, dass sie darstellen, darunter fällt oft auch politische Kritik. Die Menschen auf den Wagen werfen Bonbons, sogenannte „Kamellen“ in die Zuschauermenge. Der Rosenmontag ist kein gesetzlicher Feiertag, dennoch kann es regional (vornehmlich im Westen Deutschlands) dazu kommen, dass Büros geschlossen bleiben und die Schulen frei haben, damit alle an dem besonderen Ereignis teilhaben können.

In Brasilien kennt man ebenfalls den Straßenkarneval. Zu dem „Carnaval in Rio“ kommen jedes Jahr rund 2,5 Millionen Menschen, um sich die mehrtägigen Bühnenshows anzusehen und die Parade der Sambaschulen auf gut 1,7 Kilometer zu erleben. Die Sambaschulen stellen sich jedes Jahr einem Wettbewerb, dessen Gewinner am Aschermittwoch bekannt gegeben werden. Auf prächtig geschmückten Festwagen, mitunter auch mit Live-Band ausgestattet, werden die opulenten Kostüme und Choreographien der Teilnehmer auf dem Straßenumzug präsentiert. Die Menschen an den Straßen sind animiert, zu den rhythmischen Klängen mitzutanzen, während sie von den Tänzerinnen und Tänzern mit Konfetti beworfen werden.

Deutlich ruhiger geht es da in Venedig, Italien zu. Dort kennt man keine lauten Straßenumzüge, dafür erfreut man sich an Maskenbällen. In sehr auffällig geschneiderten, an historischen Vorbildern orientierten Kleidern und Anzügen versammeln sich die Venezianer am historischen Palazzi. Die Masken, die in diesen Tagen Markenzeichen des venezianischen Karneval sind, trug man vor rund 900 Jahren, um soziale Schranken aufzuheben und ungehemmtes närrisches Treiben zu veranstalten. Nach insgesamt zehn Tagen des Karnevals bildet ein großes Feuerwerk am Abend des Faschingsdienstages den Abschluss der Feierlichkeiten.

In New Orleans, Louisiana, USA,  gibt es am letzten Dienstag vor der Fastenzeit Paraden und Partys zu dem sogenannten „Mardi Gras“ (=„Fetter Dienstag“), zu denen man verkleidet kommt, sich amüsiert und noch einmal viel isst, bevor dies durch die Fastenzeit bedingt eingeschränkt wird. In Ländern, wo sich der Verkleidungsritus des Karneval nicht durchgesetzt hat, gibt es dennoch Traditionen, die die Fastenzeit vorbereiten.

In Polen beispielsweise feiert man den „Fetten Donnerstag“, den letzten Donnerstag vor Aschermittwoch, an dem Unmengen fettiger Speisen – insbesondere „faworki“, und „Berliner“ – verzehrt werden. Diese Tradition geht darauf zurück, dass die im Haus befindlichen Reste (Schmalz, Zucker) aufgebraucht werden, die während der Fastenzeit verboten sind. Am Dienstag vor Aschermittwoch, an „Ostatki“ werden sämtliche Reste aufgebraucht und es darf noch einmal ausgelassen gefeiert werden.

In Russland kennt man noch aus vorchristlicher Zeit die Tradition der „Maslenzia“ (=„Butterwoche“); eine beliebte Feierlichkeit. In den orthodoxen Kirchenfest-Kalender integriert findet diese Woche vor der Fastenzeit statt. Neben einigen Familienorientierten Bräuchen, die im Zentrum des Festes stehen, kann man an Festlichkeiten auf den Straßen teilnehmen. Auch hier kennt man den Donnerstag als „Tag des Leckermäulchens“, an dem besonders viel gegessen wird, besonders der Pfannkuchen „Blini“. Der Name „Butterwoche“ gibt hier auch schon vor der eigentlichen Fastenzeit vor, auf Fleisch zu verzichten und viele Milchprodukte zu verzehren, die in der Fastenzeit ebenso Tabu sind.